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Ob doch einer kauft?

Wer das Berliner Gallery Weekend auf den aktuellen Stand der Gegenwartskunst befragt, mag diesmal beruhigt nach Hause gegangen sein. Die großen Krisen dieser Welt blieben weitgehend ausgespart bei dieser Miniaturkunstmesse, die in der zwanzigsten Ausgabe wieder erfolgreich als Event verkauft, was eh zum Kerngeschäft des Kunsthandels gehört. Dort zeigt man Kunst mit der Absicht ihrer erfolgreichen Vermittlung, was idealerweise im Tausch „Ware gegen Geld“ gipfelt. Dies setzt freilich voraus, dass sich jemand für Kunst interessiert. Entsprechend bietet das viel kopierte Modell das an, was trotz Konkurrenz durch Instagram immer noch zur Routine jedes Kunstliebhabers gehört: Galerien-Hopping quer durch die Stadt. Speziell bei schönem Wetter, darf es da gern mal wieder Berlin sein.

Beruhigend auch, dass die Zahl der teilnehmenden Galerien im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben ist. Zum Eindruck der Solidität trägt bei, dass nicht wenige Anbieter auf die „sicheren Banken“ im Programm setzen. Künstler, die mit ihrer Galerievertretung regelrecht verwachsen scheinen wie Jochen Lempert mit BQ, Wolfgang Tillmans mit Buchholz, Cosima von Bonin mit Galerie Neu oder Rirkrit Tiravanija mit neugerriemschneider, sind offenbar genauso beliebt wie die klassischen Gattungen der Malerei, der Skulptur sowie die gediegen spätmoderne Kunst der Fotografie.

Wenige Ausstellungen zeigen sich vom Potential neuer Bildtechnologien so angefasst, wie Markus Selgs „Twin Zone“ bei Guido Baudach. Selg – dessen Arbeit zuletzt öfter in den Kollaborationen mit Susanne Kennedy im Theater und nicht im klassischen Ausstellungsbetrieb zu erleben waren – versteht die Ausstellung in zweifachem Sinn als Bühne: einmal mit vergleichsweise konventionellen Skulpturen, einer Readymade-Recyclingtonne und wandfüllenden „Bühnenbildern“, die er als digitale Collagen produziert und auf Leinwand ausgedruckt im Gewand der Malerei präsentiert; andererseits durch eine Einbettung dieser an den spezifischen Ort, an materiale Objekte gebundene Schau in eine Ausstellung, die mittels einer Augmented Reality-Schnittstelle erst über die Kamerafunktion des Smartphones erfahrbar wird. Schwer zu entscheiden, was man lieber hätte: Die Begegnung mit schnöden Dingen, denen der Status der „Kunst“ anhängt – oder nicht doch eine materiale Konkretisierung der digitaltechnologisch generierten „Zwillingszone,“ in die Ausstellung samt Besucher in Echtzeit eingebunden sind.

Die intermediale Erweiterung der Bildkunst, diesmal, ins Sonische probt Nevin Aladağ bei Wentrup als Engführung von abstrakter Malerei und Instrumentenbau. In drei Größen, wie Kaffee bei der Deutschen Bahn, gibt es ihre mit eleganten abstrakt-ornamentalen Designs lackierten Bildobjekte, die – dank aufgespannter Violinen- und Gitarrensaiten, insertierter Triangeln und einladend ausgefahrener Holz- und Blechblas-Mundstücke zu Klangkörpern mutieren könnten, ganz im Sinne jener Ordnung, die die Alten „Kosmos“ nannten. Allein – die Objekte bleiben stumm und sprechen, in ihrer manufakturierten Makellosigkeit samt schlanker Schattenfuge die Sprache des: don‘t dare to touch. Ob doch einer kauft?

Dagegen bringt Peter Wächtler bei Lars Friedrich die gute, alte künstlerische Handarbeit ins Spiel: jenes ominös Gestische, das – geradezu ein Fetisch in der jüngeren Kunsttheorie – den Wert der Kunst in der durch die Geste als Index gewährleisteten Präsenz des Künstlers sicherstellt. Irdene Mauer-Modelle hat Wächtler gebaut: massive, an den Rändern gleichwohl wie ausgebrochen erscheinende Fragmente von Fundamenten, Stütz- und Staumauern, die ihrerseits auf geschweißten, stählernen Tischen stehen. „Die Ersten“ nennt sich Wächtlers Schau, die den handmodellierten Modellen mit Kohle- und Kreide gezeichnete Porträts ihrer selbst gegenüberstellt – als wäre die Kunst des Modellbaus dringend nochmals neu zu erfinden, der die Gerdes‘, Klingelhöllers und Schüttes einst zu heute freilich arg ungleich verteiltem Ruhm brachte.

Modellhaft geht es auch bei Rachel Harrisons sage und schreibe erster Ausstellung bei Konrad Fischer zu. Die Galerie hatte einst sehr dazu beigetragen den Düsseldorfer Modellbau als eigenes Genre zu etablieren. Passend, wenn Harrsion – seit 2016 erstmals wieder in Berlin – nun in der dortigen Fischer-Filiale zeigt. Hätte die Künstlerin ihre Ausstellung nicht selbst eingerichtet, würde man sich allerdings Gedanken machen, warum ihre Arbeiten auf den zwei Galerien-umkränzten Ausstellungsetagen in der ehemaligen Trafostation in der Neuen Grünstraße gar so verloren wirken. Positiv gewendet: „Ratlin’s Borg“ (2024) eine mit einem Golfschläger ausgestattete Figur, deren Giacometti-haft verschlankte Hals-/Kopf-Partie aus einem fetten, amorphen Fundament-Corpus herauswächst, hat viel Luft zu atmen, während man nach dem auf der Galerie versteckten „Ratlin is a Name“ erst suchen muss: hierbei schaut sich eine kleinformatige, leuchtend zinnoberrot eingefärbte Porträtbüste auf hölzernem Sockel ein Promo-Video an, das auch den Aspekt der gesellschaftlichen Distinktion durch Kunst augenzwinkernd thematisiert.

Parallel zur ersten Ausgabe des Gallery Weekends konnte einst die Berliner Nationalgalerie mit der Schau „Das MoMA in Berlin“ punkten. Heute darf man froh sein, wenn die von der reformresistenten Stiftung Preußischer Kulturbesitz getragenen Staatlichen Museen ihre regulären Öffnungszeiten nicht noch mehr verknappen müssen.

Mehr Texte von Hans-Jürgen Hafner

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